Ein internationaler Aufruf gegen Bolsonaros Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Liebe Freunde,
in Brasilien findet gerade ein Völkermord statt! Zum Zeitpunkt, an dem ichschreibe, dem 16. Juli 2020, hat COVID-19, das hier im Februar dieses Jahreszum ersten Mal entdeckt wurde, bereits 76.000 Menschen getötet. Es gibtbereits fast zwei Millionen Betroffene. Bis Sonntag, 19. Juli, werden wirinsgesamt 80.000 auf Todesopfer kommen. Es ist möglich, dass wir, wenn Siediesen dramatischen Appell lesen, bereits die Zahl 100.000 erreicht haben
Wenn ich bedenke, dass im Vietnamkrieg über zwanzig Jahre hinweg 58.000 Menschenleben von US-amerikanischen Militärangehörigen geopfert wurden, begreife ich das Ausmaß und die Ernsthaftigkeit dessen, was in meinem Land geschieht. Dieser Horror verursacht Wut und Abscheu. Und wir alle wissen, dass vorsorgliche und restriktive Maßnahmen, wie sie in so vielen anderen Ländern ergriffen wurden, ein Abschlachten in einem solchen Ausmaß hätten verhindern können.
Dieser Völkermord ist nicht das Ergebnis der Gleichgültigkeit der Regierung Bolsonaros. Er ist gewollt. Bolsonaro freut sich über den Tod anderer. Als er Mitglied des Kongresses war, sagte er 1999 in einem Fernsehinterview: “Wahlen werden in diesem Land nichts ändern, nichts, absolut nichts! Veränderungen werden leider nur dann kommen, wenn wir eines Tages hier in Brasilien einen Bürgerkrieg führen und die Arbeit leisten, die das Militärregime nicht getan hat: 30.000 Menschen töten.
Als er für die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff stimmte, widmete er seine Stimme dem Gedenken an den berüchtigtsten Folterer der brasilianischen Armee, Oberst Brilhante Ustra.
Aufgrund dieser großen Todesbesessenheit ist eine seiner wichtigsten Regierungsmaßnahmen die Zulassung des Verkaufs von Waffen und Munition. Auf die Frage am Eingang des Präsidentenpalastes, ob er nicht betroffen sei wegen der Opfer der Pandemie, antwortete er: “Ich glaube nicht an diese Zahlen (27. März, 92 Tote). Wir werden alle eines Tages sterben” (29. März, 136 Tote). “Also was? Was soll ich tun?’ (28. April, 5.017 Tote).
Warum diese nekrophile Politik? Von Anfang an erklärte er, dass es nicht darauf ankomme, Leben zu retten, sondern die Wirtschaft zu retten. Darum weigert er sich, ein Lockdown anzuordnen, den Anweisungen der WHO zu folgen und Atemschutzgeräte und persönliche Schutzausrüstungen zu importieren. Der Oberste Gerichtshof musste diese Verantwortung an die Gouverneure und Bürgermeister der Städte delegieren.
Bolsonaro respektierte nicht einmal die Autorität seiner eigenen Gesundheitsminister. Seit Februar wurden in Brasilien zwei entlassen, weil sie sich weigerten, dieselbe Haltung wie der Präsident einzunehmen. Jetzt wird das Ministerium von General Pazuello geleitet, der keinerlei Kenntnis von Gesundheitsfragen hat; er hatte versucht, die Daten über die steigende Zahl von Opfern zu verheimlichen; er hat 1.249 Militärangehörige in wichtigen Positionen im Ministerium angestellt, ohne dass sie die erforderlichen Qualifikationen hätten; und er hat die täglichen Interviews abgesagt, von denen die Bevölkerung Orientierung erhalten hatte.
Es würde zu lange dauern, alle Maßnahmen zur Freigabe von Mitteln zur Unterstützung von Opfern und Familien mit niedrigem Einkommen (über 100 Millionen Brasilianer) aufzulisten, die nie ergriffen wurden.
Die Gründe für die kriminellen Entscheidungen der Regierung Bolsonaros liegen auf der Hand. Wenn ältere Menschen sterben, verschont dies die Ressourcen des Department of National Insurance. Wer bereits Erkrankte sterben lässt, schont die Ressourcen des nationalen Gesundheitsdienstes, des SUS. Die Armen sterben zu lassen, schont die Ressourcen des Programms Familienfürsorge und anderer Sozialprogramme, die sich an die 52,5 Millionen Brasilianer richten, die in Armut leben, und die 13,5 Millionen, die in extremer Armut leben (Zahlen der brasilianischen Bundesregierung).
Noch nicht zufrieden mit solch tödlichen Maßnahmen, hat der Präsident jetzt, am 3. Juli, sein Veto gegen den Gesetzesabschnitt eingelegt, der zur Verwendung von Masken in Läden, Kultstätten und Bildungseinrichtungen verpflichtet. Er hat ebenfalls gegen die Verhängung von Geldstrafen gegen diejenigen gestimmt, die die Regeln nicht eingehalten haben, und die Verpflichtung der Regierung, Masken an die ärmsten Bevölkerungsschichten, die Hauptopfer von COVID-19, und an Gefangene (750.000) zu verteilen. Diese Vetos kippen jedoch nicht die lokale Gesetzgebung, die die Verwendung von Masken bereits obligatorisch gemacht hat.
Am 8. Juli kippte Bolsonaro drei Abschnitte eines vom Senat verabschiedeten Gesetzes, das die Regierung verpflichtete, Trinkwasser und Gesundheits- und Reinigungsmittel zu liefern, Internetanschlüsse zu installieren und Grundnahrungsmittel, Saatgut und landwirtschaftliche Geräte an indigene Dörfer zu verteilen. Er legte auch sein Veto gegen Soforthilfen ein, die für indigene Gesundheitsdienste bestimmt waren, und um indigenen und Mitgliedern afro-brasilianischer Ex-Sklaven-Quilombola-Gemeinschaften für drei Monate Soforthilfe in Höhe von 600 R’ (120 Euro) zu gewähren. Und er legte ebenfalls sein Veto gegen die Verpflichtung der Regierung ein, indigenen und Ex-Sklaven-Gemeinschaften mehr Krankenhausbetten, Beatmungsgeräte und Sauerstoffgeräte zur Verfügung zu stellen.
Indigene und Ex-Sklaven-Gemeinschaften wurden durch die zunehmende sozio-ökologische Verwüstung dezimiert, vor allem im Amazonasgebiet.
Bitte machen Sie dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit so publik wie möglich. Die Verurteilung der Geschehnisse in Brasilien muss die Medien Ihres Landes, die sozialen Netzwerke, den UN-Menschenrechtsrat in Genf und die Banken und Unternehmen erreichen, welche die Investoren vertreten, die die Regierung Bolsonaro so gierig will.
Lange bevor The Economist dies tat, habe ich in den sozialen Medien den Präsidenten BolsoNero genannt – während Rom brannte, spielte er die Geige und warb für Hydroxychloroquin, ein Medikament, von dem wissenschaftlich erwiesen wurde, dass es keine Wirkung auf das neue Coronavirus hat. Aber seine Hersteller sind politische Verbündete des Präsidenten…
Vielen Dank für Ihre Solidarität bei der Veröffentlichung dieses Schreibens. Nur der Druck aus dem Ausland kann den Völkermord stoppen, der unser liebes, wunderbares Brasilien zerstört.
Mit brüderlichen Grüßen
16.07.2020
Frei Betto ist ein Dominikaner-Bruder und Schriftsteller, Berater der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN) und sozialer Bewegungen.